Die ersten anderthalb Wochen mit Tessa liegen hinter uns – fünf intensive Einheiten voller kleiner Wunder, leiser Fortschritte und der Magie der Ruhe. Tessa zeigt mir jeden Tag aufs Neue, wie viel Kraft in der Geduld steckt und wie sehr sie sich danach sehnt, einfach dabeizusein – ohne Druck, ohne Angst, ohne Erwartungen.
Ruhe als Basis: Ankommen im Chaos
Einer der ersten Schritte war, Tessa zu zeigen, dass sie mitten im Trubel entspannen darf. Wir haben angefangen, sie auf dem Hof fressen zu lassen – da, wo Menschen hin- und herlaufen, Geräusche aus allen Richtungen kommen und die Welt manchmal laut und unberechenbar wirkt. Anfangs war sie unruhig, schaute sich ständig um und spitzte die Ohren bei jedem Geräusch. Doch nach und nach merkte sie: Niemand fordert etwas von ihr, niemand zwingt sie, etwas zu tun. Sie durfte einfach sein.
Diese scheinbar banale Übung war für Tessa ein riesiger Schritt. Statt Flucht wählte sie Ruhe, statt Hektik ein entspanntes Kauen. Es war, als würde sie langsam erkennen, dass sie in meiner Nähe sicher ist – egal, was um sie herum passiert.
Panik auflösen: Rückwärts und Kopf runter
Tessas größte Herausforderung ist die Angst vor Berührungen und plötzlichen Bewegungen. Um ihr einen Ausweg aus der Panik zu zeigen, haben wir die „Rückwärts-Kopf-runter“-Übung eingeführt. Wenn die Angst hochkocht, heißt es: Kopf runter, Schritt zurück, Atmen. Diese einfache Bewegung hilft ihr, sich selbst zu regulieren und die Kontrolle über die Situation zurückzugewinnen.
Führen und Schicken: Gehen und Stehen
Ein wichtiger Teil unseres Trainings ist die klare Kommunikation: „Gehen“ bedeutet gehen, „Stehen“ bedeutet stehen. Keine Verwirrung, keine Unsicherheit. Ich achte darauf, die Signale ruhig und konsequent zu geben – keine Hektik, keine Strafen. Tessa lernt, dass es sicher ist, mir zu folgen und anzuhalten, wenn ich es sage. Diese Klarheit gibt ihr Halt, und ich merke, wie die Spannung in ihrem Körper nachlässt.

Neugier statt Angst: Die Welt entdecken
Etwas Wunderschönes passiert: Tessa wird neugierig. Statt sich zurückzuziehen, wenn ich im Stall etwas hole oder fege, folgt sie mir wie ein kleiner Schatten. Gemeinsam erforschen wir alles – den Spind, die Hütte, die Mistgabel, sogar die Kaffeekanne. Sie ist einfach dabei, schaut mir über die Schulter und schnuppert vorsichtig an neuen Dingen.
Es ist fast, als hätte sie beschlossen, mich auf Schritt und Tritt zu begleiten – nicht mehr aus Angst, etwas zu verpassen, sondern weil sie es will. Diese kleinen Momente, in denen sie mir einfach vertraut und neugierig dabei ist, erfüllen mich mit so viel Freude und Stolz.
Mit jedem Tag ein Stück mehr Vertrauen
Die Familie sieht die Fortschritte mit leuchtenden Augen – sie spüren, dass sich etwas verändert hat. Tessa ist ruhiger, aufmerksamer und nimmt immer häufiger Kontakt auf. Gemeinsam arbeiten wir weiter an der Klarheit in der Kommunikation, daran, dass „Steh“ auch wirklich „Steh“ heißt und dass Vertrauen die Basis für alles ist.
Es sind kleine Schritte, aber jeder einzelne ist ein Triumph. Tessa zeigt uns, dass Heilung nicht durch Kontrolle geschieht, sondern durch das Zulassen von Ruhe und Neugier. Ich bin gespannt, wohin uns der Weg noch führt – und ich weiß, dass wir ihn gemeinsam gehen.
Bleibt dran, denn die Reise ist noch lange nicht vorbei. Tessa und ich haben noch viele spannende Abenteuer vor uns – und ich freue mich darauf, jedes einzelne mit euch zu teilen!
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